„Halbzeit“ bei der Umstellung auf die Normen ISO 9001:2015 und ISO 14001:2015 - Die Uhr tickt …

 
vom 05.06.2017

Von Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dietmar Knabe (Management-Berater)

Für zahlreiche Unternehmen, die noch nach der „alten“ Fassung der Qualitätsnorm ISO 9001:2008 oder der Umweltnorm ISO 14001:2004 zertifiziert sind, läuft die Uhr zum September 2018 ab. Dann endet die dreijährige Übergangsfrist, die mit der Einführung der neuen Revisionen im September 2015 begonnen hat.

Bisher hat erst ein relativ kleiner Teil von Unternehmen ihr Management-System umgestellt. Nach Angaben des TÜV haben rund 70 % der zertifizierten Firmen ihre QM- und UM-Systeme bisher noch nicht an den aktuellen Standard angepasst. Einer der Gründe hierfür war die Unsicherheit, wie die Auditoren die veränderten Anforderungen der neuen Normrevision interpretieren. Die Zeit drängt aber bereits jetzt, da die individuelle Ermittlung der zusätzlichen und geänderten Anforderungen im Zuge einer „GAP-Analyse“, die Änderung der Dokumente, die interne Abstimmung und die Schulung der Mitarbeiter einige Zeit in Anspruch nehmen kann.

Wird die Übergangsfrist überschritten, wird das Zertifikat ungültig und die Unternehmen verlieren sowohl ihren Zertifizierungsstatus, als auch den häufig hart erarbeiteten Lieferantenstatus bei ihren Kunden. Aber auch bei einer rechtzeitigen Umstellung seitens der Unternehmen wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen Ende des Umstellungszeitraumes zu Termin-Engpässen bei den Zertifizierungsgesellschaften kommen.

Da sich inzwischen bei beiden Normen ein stabiler Interpretationsstandard etabliert hat, sollte die Aktualisierung der Management-Systeme zügig angegangen werden. Zu beachten ist, dass das geänderte und freigegebene Management-System mindestens 2-3 Monate aktiv sein sollte, bevor ein internes Audit sinnvoll durchgeführt werden kann. Danach sind weitere 1-2 Monate zeitlicher Abstand zum Umstellungsaudit durch die Zertifizierungsgesellschaft einzuplanen.

Trotz erster Unsicherheiten unmittelbar nach Erscheinen der neuen Normrevision wurde – meist nach sorgfältiger Vorbereitung – bereits ein Teil der Management-Systeme erfolgreich umgestellt, wobei Abweichungen die Ausnahme waren. Die Vorteile der aktualisierten Regelwerke kommen bei zahlreichen Unternehmen immer mehr zum Tragen:

- Intensivere Auseinandersetzung mit dem Umfeld des Unternehmens, den „externen und internen Themen“, die Einfluss auf den Geschäftserfolg, die Kunden- sowie Mitarbeiterzufriedenheit haben.

- Höhere Sensibilität für Risiken, aber auch für Chancen auf Grund des „risikobasierten Ansatzes“. Durch eine zweistufige Betrachtung auf Unternehmens- und Prozessebene konnten in der Praxis bisher nicht bewusste Risiken identifiziert und durch geeignete Maßnahmen reduziert werden.

- Zur Erfüllung der Forderung, das Wissen des Unternehmens stärker als Ressource zu verstehen, hat sich bei vielen Unternehmen die Einführung einer Qualifikationsmatrix bewährt. Ein weiterer Ansatz ist das Anlegen einer zentralen Sammlung von Schulungsunterlagen zur internen Weiterschulung, um das im Rahmen der Risikobetrachtung als erfolgsentscheidend erkannte Wissen besser zu sichern.

- Da für viele Betriebe die Kundenforderungen nach einem zusätzlichen Umweltmanagementsystem, ergänzend zum bereits bestehenden Qualitätsmanagementsystem zunehmen, kommt auch der Vorteil der „Highlevel-Struktur“ (einheitliche Gliede-rungsstruktur der Managementnormen) stärker zum Tragen. Da die Forderungen der ISO 9001:2015 und ISO 14001:2015 zum Teil identisch sind, müssen für das inte-grierte Managementsystem „nur noch“ die für das UM-System zusätzlich geltenden Forderungen in der bereits bestehenden QM-Dokumentation ergänzt werden.

- Neu ist auch die Integration des Lebensweg-Gedankens bei Umweltmanagement-Systemen. Die geforderte Betrachtung umweltrelevanter Aspekte auf dem Weg von der Produktentwicklung bis zur Entsorgung hat zu neuen Erkenntnissen geführt. Oft konnten dadurch neue Ansätze einer ressourcenschonenden und abfallreduzierenden Produktions- und Dienstleistungserbringung erfolgreich umgesetzt werden.

- Auch die Sensibilisierung der Unternehmen für eine Optimierung der internen und externen Kommunikation ist ein wichtiger Beitrag, um die Verfügbarkeit der notwendigen Informationen vollständig und termingerecht sicherzustellen und damit Fehlerquellen und potenzielle Risiken zu reduzieren.

Positiv zu vermerken ist die Tatsache, dass die neuen Normrevisionen gestatten, bisher bewährte Instrumente und Funktionen, wie ein Handbuch, den Managementbeauftragten oder die Begrifflichkeit von Dokumenten und Aufzeichnungen anstelle der „dokumentierten Infor-mationen“ beizubehalten. Eine Möglichkeit, die bei der Umstellung auf die neue Normrevision von vielen Unternehmen genutzt wird.

Auch der Grundsatz der „Angemessenheit“ eines Managementsystems wurde beibehalten. Wo z.B. in kleineren Unternehmen die Regelung der externen und internen Kommunikation noch „verbal“ erläutert werden kann, ist bei größeren Unternehmen eine schriftlich dokumen-tierte Kommunikationsmatrix sinnvoll, wenn nicht gar gefordert. Gerade kleinere Unterneh-men sollten den Mut haben, die Spielräume der Norm zu nutzen und sich auf das Wesentliche zu beschränken.

Darüber hinaus hat sich die Umstellung auf die aktuelle Normrevision vielfach als „Frischzellenkur“ für viele Managementsysteme erwiesen. Dokumente aus der Zeit der Erst-Einführung, die im Dornröschenschlaf lagen, wurden auf den Prüfstand gestellt, aktualisiert oder teilweise als nicht mehr relevant gestrichen, was zu einer Verschlankung der Dokumen-tation und häufig auch zu einer gesteigerten Akzeptanz der Systemdokumentation bei den Mitarbeitern geführt hat. Bei der Umstellung der Dokumentation hat es sich als vorteilhaft erwiesen, nicht nur die „Liste der geforderten dokumentierten Informationen“ minimalistisch abzuarbeiten, sondern auch die Umsetzung von Forderungen, zu denen keine dokumentierte Information zwingend erforderlich ist, in angemessenem Umfang zu beschreiben. Dies sorgt für mehr Transparenz, Klarheit und Nachvollziehbarkeit.

Die Anwendung einer „Norm-Konformitätsmatrix“ zur Sicherstellung der Dokumentation aller relevanten Forderungen hat sich bei der Umstellung bestens bewährt. Dabei handelt es sich um eine einfache Tabelle, in deren linken Spalte die Normforderungen und in der rechten Spalte diejenigen Dokumente aufgeführt sind, in denen die Umsetzung der Forderung beschrieben ist. Gibt es zu einer Forderung kein Dokument, sollte eine Nachprüfung erfolgen – es sei denn, diese Forderung ist als „nicht anwendbar“ einzustufen. Dann sollte sie im Dokument „Anwendungsbereich des Managementsystems“ mit einer Begründung ihrer Nicht-Anwendbarkeit aufgeführt sein.

Die neuen bzw. geänderten Forderungen beider Normrevisionen haben – insbesondere bei den Umstellungszertifizierungen – zu einem intensiveren Dialog mit den Auditoren geführt, aus dem vielfach neue Anregungen für die weitere Verbesserung der Managementsysteme resultieren.

Mit der Umstellung auf die neuen Normrevisionen ist zu erwarten, dass die Managementsys-teme wiederum für mindestens sechs bis acht Jahre bis zur nächsten Revisionsumstellung stabil bleiben werden. Viele Unternehmen stehen jetzt, wie bei der Erst-Einführung ihres QM-Systems, wieder vor der Entscheidung: make or buy. Die Firmen müssen unter Zeit-, Aufwands- und Kostenaspekten entscheiden, ob es für sie günstiger ist, Mitarbeiter auf mehrtägige Schulungen zu schicken, um dann die Dokumentation meist neben ihrem Tagesgeschäft umstellen, oder ob sie externe Berater auf Zeit beauftragen, die bereits über meist umfangreiche Erfahrung bei der Systemumstellung verfügen.

Bei Fragen, insbesondere zu einer passenden Einführungs- bzw. Umstellungsstrategie, steht der Autor gern zu Ihrer Verfügung.

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dietmar Knabe
Management-Berater

- Einführung und Umstellung von Qualitäts- Umwelt- und integrierten Management Systemen

- Durchführung interner und externer Audits, Management auf Zeit

- Projektmanagement, Seminare, Schulungen

Der Autor begleitet seit mehr als 16 Jahren als freiberuflicher Management-Berater mittelständische Unternehmen bei der Einführung von Management-Systemen. Branchenübergreifend und bundesweit.

Darüber hinaus ist er Mitglied des TÜV NORD CERT Partnernetzwerkes und externer Auditor der DMSZ GmbH, einer akkreditierten Zertifizierungsgesellschaft mit Fokus auf mittelständische Unternehmen.

 

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